13. Januar 2009, Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus für Insekten
Marianne Engel und der Mondavi Art Prize



Die «Schwirrende Hütte». (Bild: PD)


Im letzten Jahr hat eine prominent besetzte Jury der 1972 geborenen Künstlerin Marianne Engel den erstmals vergebenen Mondavi Art Prize zugesprochen. In Zürich ist das Werk, das die junge Wettingerin dank dem Preisgeld realisieren konnte, heute noch zu sehen.

Urs Steiner

15 000 Franken hat die Wettinger Künstlerin Marianne Engel von der Robert Mondavi Art Society im letzten Jahr erhalten, um damit ein neues Projekt realisieren zu können. Eine prominent besetzte Jury, der u. a. Beatrix Ruf, Direktorin der Kunsthalle Zürich, und Christoph Schenker von der Zürcher Hochschule der Künste angehörten, hatte der Künstlerin den Förderpreis zugesprochen. Marianne Engel, die mit ihren gespensterhaft wirkenden Langzeitbelichtungen in der Schweizer Kunstszene bereits mehrfach aufgefallen war, setzte sich mit ihrer Idee gegen mehr als hundert Mitbewerber durch.
Mit ihrem inzwischen realisierten Werk hat die 1972 geborene Künstlerin tatsächlich einen substanziellen Entwicklungsschritt vollzogen – genau so, wie es das Ziel des im letzten Jahr lancierten Förderwettbewerbs war. Nachdem Engel bisher vorwiegend fotografisch gearbeitet hatte, wagte sie mit dem prämierten Projekt «Schwirrende Hütte» einen substanziellen Schritt in Richtung konzeptionelles und installatives Schaffen. In der freien Natur baute sie aus Backsteinen, Stroh, Astbündeln und Baumstämmen eine rund zwei Meter hohe, mit Leuchtdioden bestückte Hütte, die von Bienen und anderen Insekten allmählich belebt wurde. Dieses prozesshaft sich verändernde Objekt hat Marianne Engel fotografisch in Szene gesetzt und so ein Bild von geheimnisvoller Schönheit und eigenartiger Fremdheit geschaffen. Unterstützt wird die magische Wirkung durch die Präsentation der Fotografie in einem Leuchtkasten. Bereits in früheren Werken hat die Künstlerin eigenartige Naturphänomene wie leuchtende Pilze oder skurrile Nachtlandschaften zu poetischen, auf den ersten Blick unergründlichen Bildkompositionen verarbeitet.
Die Verbindung von Künstlichkeit und Natur, bei der durch geschicktes menschliches Handeln ein kultureller Mehrwert entsteht, passt hervorragend zur Lancierung eines Kunstpreises, den ein Weingut ausrichtet. Dass die Robert Mondavi Winery in Kalifornien ausgerechnet in der Schweiz einen Förderpreis in bildender Kunst ins Leben ruft, verdankt sich der Hausherrin Margrit Biever Mondavi, einer gebürtigen Schweizerin. Wie sie in einem Brief aus dem Napa Valley schreibt, besitzt die Robert Mondavi Winery seit den sechziger Jahren eine lange Tradition von Kunstausstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten auf dem Weingut. Dieses Engagement soll jetzt mit dem jährlich ausgeschriebenen Kunstpreis in der Schweiz weitergeführt werden.



Zürich, Galerie Rotwand, die Sonderausstellung Robert Mondavi Art Prize Project ist noch heute, 13. Januar, zu sehen. Informationen zum Preis: www.robertmondavi.ch/artprize.